5 Speaker Thesen im Check. Vertrauen Sie keiner Theorie!

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Dies wird kein ganz einfacher Text, dies stelle ich voran. Auf dieser Seite sehen Sie, dass ich mich selbst als Speaker für Digitalthemen positioniere. Ab und an schreibe ich auch ein paar Theorien zur digitalen Zukunft nieder. Und trotzdem stören mich die vielen Theoretiker auf den Bühnen diverser Events in Deutschland.

Nur damit mich alle richtig verstehen: Ich finde, dass Events wie die Online Marketing Rockstars, Dmexco, Bits & Pretzels Deutschland guttun. Ich habe großen Respekt für die Veranstalter. Dort sind teilweise ganz hervorragende Leute unterwegs, die wissen, wovon sie sprechen. Und doch wünschte ich mir auf den Bühnen deutscher Digital-Konferenzen mehr Leute aus der Praxis, die wirklich Substanzielles zu sagen haben – nicht nur in Buzzwords gekleidetes Pseudo-Digital-Know-How von sich geben. Dies ist auch der Grund, warum ich die BEEF4BRANDS mit initiiert habe, die sich einmal im Jahr zum Ziel setzt, wirklich zum Punkt zu kommen und dafür Menschen auf die Bühne holt, die direkt mit Digital-Projekten betraut sind.

Die Gefahr bei zu viel Theorie besteht nämlich darin, dass diese nicht mit der unternehmerischen Praxis abgeglichen wird. Dass die Erfahrungswerte fehlen. Denn ab und an scheitert ein Projekt nicht an der richtigen Konzeption, sondern an der Durchführung.

Ich will ein paar konkrete Beispiele geben, um dies zu verdeutlichen:


Speaker-These 1: „Ihr müsst relevanten Content machen!“

Dies sagen teilweise Speaker, die selbst tolle Schreiber und Kommunikatoren sind. Oftmals haben sie Bücher geschrieben. Sie verstehen das Handwerk des Publizierens zweifellos. Und sie treffen mit ihren Ausführungen auch den Nerv des Digital Business. Solche Themen werden auf Facebook und Twitter gerne diskutiert. Damit schafft man es auf Konferenzbühnen. Die Themenrelevanz liegt quasi in der DNA des Digital Business.

Nur, jetzt stelle man sich mal vor, im Publikum sitzen Leute, die Marketingverantwortung haben für Steuer-Software, Schrauben, Lebensversicherung, Gebäudereinigung. Die Marketing-Verantwortlichen kennen ihr Geschäft und die Zielgruppen gut. Sie wissen, dass Content in ihrem Bereich nur für die wenigsten relevant ist. Sie haben begrenzte Mittel. Was nehmen diese Zuhörer mit, wenn sie von jemandem, der oder die ein Blog zu Digitalthemen betreibt und ab und an Bücher veröffentlicht, hören, man müsse nur relevanten Content machen? Gibt es dafür in genau dem Bereich ein Beispiel?  Wird mal geredet über die Investments und über tatsächliche Effekte? Oder fangen einfach alle an zu bloggen und wundern sich nach gewisser Zeit, dass das kaum jemanden interessiert? So passiert in den letzten 3 Jahren in Deutschland.

EINSCHUB: Ich bin tatsächlich der Überzeugung, dass nur die allerwenigsten Corporate Blogs hierzulande relevant sind.


Speaker-These 2: „Ihr kommt an Snapchat nicht vorbei!“

Machen wir’s kurz. Seit Instagram Stories höre ich zu Snapchat verdammt wenig.


Speaker-These 3: „Die Leute wollen keine Werbung!“

Das ist die für mich abstruseste These. Okay, ich verstehe, dass PR-, Digital- und Social Media Agenturen zunehmend in Wettbewerb mit der Werbebranche stehen. Auch wir bei HenneDigital beraten Unternehmen abseits der rein werblichen Konzepte. Aber niemals würde ich auf die Idee kommen, die Werbung per se als unwirksam zu bezeichnen. Seriöse Studien und Umfragen zeigen immer wieder, dass Menschen empfänglich für Werbung sind. Ich hielte es für gefährlich, die gesamten Werbebudgets in nicht-werbliche Formate zu shiften. Hierfür müsste mir der Theoretiker erstmal ein paar tatsächliche Zahlen zu Reichweiten und Wirkung von digitalem Content (siehe These 1) vorlegen. Das wiederum können die wenigsten.

Letztlich mischen sich digital werbliche und nicht-werbliche Formate zunehmend. Bestes Beispiel sind die verschiedenen Facebook-Angebote zu Paid Content, der dann durch den normalen Newsfeed der Leute gespült wird. Interessant wären Fragen wie: „Was ist die richtige Balance?“ „Wo unterstützen werbliche Formate die organischen Inhalte oder auch nicht?“ „Lohnt das Investment überhaupt für uns? Was bleibt am Ende?“ Fragen, die der Theoretiker nur schwer beantworten kann.


Speaker-These 4: „Es geht um den Cultural Change!“ 

Hm. Da wäre ich als Top-Manager gleich mal vorsichtig. Ich würde mich fragen: „Kennt der da vorne unsere Kultur? Bei uns sind alle ziemlich happy. Warum sollen wir das ändern?“ Oder andersrum: „Ja, wir brauchen einen Kulturwandel. Aber wie soll das jetzt laufen? Haben am Ende alle die gleiche Kultur?“

In meinen Augen ist das ewige Mantra, dass jetzt alles kollaborativ wird, gefährlich. Denn vermutlich stimmt es gar nicht. Klar, aus technischer Sicht macht die Argumentation Sinn. Es gibt neue Möglichkeiten. Die Software-Häuser und Consultants brauchen neue Verkaufs-Schlager. Aber wo ist die Zielformulierung? Wer schaut mal, welche Prozesse von den Mitarbeitern tatsächlich auch kollaborativ gewünscht bzw. akzeptiert sind? Oder baue ich da eine IT-Landschaft auf, die ich in 3 Jahren wieder komplett einreiße, weil die Leute nicht mitziehen?

Hier braucht es Praxiserfahrung. Ein eher Ingenieur-getriebenes Unternehmen wird vermutlich eine ganz andere Strategie entwickeln als eine junge Consumer Brand, die zur Hälfte aus Marketing besteht. Statt einfach nur Thesen zu proklamieren, wäre es hilfreich, Wege zu einer strategischen Ausrichtung und vor allem ganz pragmatische Schritte in der Implementierung aufzuzeigen.


Speaker-These 5: „Denken Sie wie ein Start-Up!“

Wirklich? Wie welches Start-Up? Wie das, das sich gerade gegründet hat. Wie das, das gerade frisches Venture Capital bekommen hat? Wie das, das Kapitalgeber sucht? Oder wie eines, das gerade richtig durchgestartet ist? Klar, Start-Ups mit ihrer Gründerkultur sind oftmals mutig. Sie sind flexibel und die Gründer sind vermutlich stark digital sozialisiert. Das sind für viele Herausforderungen in Produktentwicklung, Service oder Marketing hilfreiche Voraussetzungen.

Was aber macht ein Unternehmen mit 10.000 Mitarbeitern an verschiedenen Standorten im In- und Ausland? Was mit dem Anteil von Arbeitnehmern 50+, die eine ganz andere Mediennutzung haben als die klassischen Mitarbeiter eines Start-Ups. Was passiert mit den Leuten in den Produktionshallen, die gar keinen Online-Zugang haben?

Da kommt man mit der platten Theorie nicht weit.

Zusammenfassend: Thesen und theoretische Impulse braucht es. Digital-Veranstaltungen leben zu einem guten Stück davon. Für die Unternehmenspraxis muss dazu eine Portion Erfahrung und Branchenkenntnis kommen. Diese tut auch Bühnen von Digital-Events gut.


Photo Credit: © Pitter

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